Urin-Anwendungen in der Heilkunde

Bei Verletzungen und für die Hautpflege


Die äusserliche Anwendung bei Notfällen

Schürfwunden

Bergwanderung. Ein Fehltritt. Schürfwunden an den Armen, ein aufgeschlagenes Knie. Wenn es dumm geht, ist natürlich nichts an brauchbarem Erste-Hilfe-Material greifbar und man muss improvisieren. Wie sonst kriegt man eine blutende, mit Steinen verklebte Schürfung oder Wunde möglichst schmerzlos einigermassen sauber?

Die Wunde wird mit dem körperwarmen, praktisch sterilen Urin ausgewaschen. Frischer Urin wirkt desinfizierend, eiweissgerinnend und schmerzlindernd, was bei der vorläufigen Wund­versorgung sehr hilfreich und wohltuend ist.

Es ist sinnvoll, in der Notapotheke eine steril verpackte Einweg-Spritze (10-20ml, ohne Nadel) mitzuführen. In einer solchen Situation lässt man den Mittelstrahlurin in den sauberen(!) Trinkbecher und zieht den Urin mit der Spritze auf. So kann er präzise und mit variablem Strahldruck appliziert werden. In einem solchen Notfall ist es sogar vertretbar, frischen Urin einer anderen Person zu verwenden, wenn kein eigener vorhanden ist.

Quetschwunden

Eine Hausräumung in abgelegenem Gebiet. Ein Moment der Unaufmerksamkeit, in Folge eine blutende Quetschung an einem Finger. Eine Hausapotheke gab es nicht und Hilfe war nicht erreichbar. Ich erinnerte mich an die Worte meines Vaters, der in der Armee Sanitätsdienst geleistet hat und mir vom alten Soldatenbrauch erzählt hat, Verletzungen zu bepinkeln oder in einem solchen Fall im Urin zu baden. Das linderte die Schmerzen und die Wunde musste danach nicht einmal mehr ärztlich behandelt werden.

Sonnenbrand

Ein sonniger, heisser Tag. Die Warnungen in den Wind geschlagen, textilfreies Sonnenbaden färbt den Rücken rot. Wenn es nur die Farbe wäre... Ein währschafter Sonnenbrand lässt nicht die kleinste Berührung zu.

Fernab der Zivilisation, aber auch in gewohnter Umgebung, gibt es in dieser Situation es kaum Besseres als frischen Urin (in diesem Fall kann es ausnahmsweise auch Fremdurin sein), der berührungslos aufgespritzt werden kann. Wenn kein Zerstäuber da ist, eine Zahnbürste findet sich schnell. In ein Glas urinieren, die Zahnbürste reintauchen und dann mit der Fingerkuppe abspritzen. Erste Hilfe mit einem Minimum an Schmerzen überzeugt jeden Verweigerer der Methode.

Ob man eine Wunde selbst versorgen kann oder ob die Verletzung ärztlich versorgt werden muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Grösse, Art und Ort der Wunde, Verschmutz­ung, Infektionsgefahr, Fremdkörper etc. Natürlich kommt es auch auf das Geschick und die Erfahrung an, ob man mit einer solchen Verletzung selbst zurecht kommt.

Hautpflege

Bei Ekzemen, Psoriasis, Neurodermitis und anderen Hauterkrankungen wird Urin äusserlich in Form von Einreibungen, Kompressen oder Bädern mit grossem Erfolg angewendet. Bei der äusserlichen Anwendung wird die Wirkung vor allem dem Harnstoff zugeschrieben.

Der menschliche Schweiss enthält bis zu einem halben Prozent Harnstoff. Wenn die Haut nicht schwitzen kann, muss Harnstoff von aussen zugeführt werden. Das geschieht am besten durch den eigenen Urin. Er ist immer frisch vorhanden, körperwarm, hygienisch einwandfrei, diskret anzuwenden und erst noch kostenlos.

Eine gesunde Haut weist einen Harnstoffgehalt von ca.7% auf. Harnstoff zieht Feuchtigkeit aus der Luft an und bindet sie, wodurch die Haut befeuchtet wird. Die Haut von Neurodermitis-Patienten weist nur noch 20-30% des normalen Harnstoffgehalts, das heisst, etwas unter 2%, auf. Eine deutliche Feuchtigkeitswirkung ist ab Konzentrationen von 3% und eine schuppenlösende Wirkung ab 10% Harnstoff feststellbar. Harnstoff ist ein bewährter Wirkstoff gegen Hautleiden und Bestandteil vieler Salben und Cremes.

Ein Mangel an Harnstoff in der Haut führt zu Trockenheit. Harnstoff stellt den sauren Haut-Schutzmantel in den Gebieten wieder her, wo dieser nicht durch den Schweiss entstehen kann, z.B. bei Hornhaut. Bei Neurodermitikern wird oft ein besonders stark erniedrigter Harnstoffgehalt in der befallenen Haut festgestellt. Führt man der Haut Harnstoff zu, empfinden die Patienten Erleichterung. Die typischen Anzeichen wie Sprödigkeit, Rauheit, Rötungen und Juckreiz verschwinden. Auch verhärtete Hornhaut wird bei regelmässiger Anwendung über längere Zeit wieder geschmeidig. Wenn Bäder mit Urin zu umständlich oder nicht möglich sind, machen Sie sich Auflagen (Packungen, Kompressen, Wickel), welche Sie über mehrere Stunden, am besten über Nacht, tragen.

In der einschlägigen Literatur wird bei Urin von einem Harnstoffgehalt von 2 bis 3% bezw. 20 bis 30gr. pro Tag ausgegangen. Wie Urin je nach Wasserzufuhr und Ernährung ganz unterschiedlich schmecken kann, ist auch die Harnstoffkonzentration nicht immer gleich. Es macht natürlich einen Unterschied, ob der konzentrierte Morgenurin oder das labbrige Vormittagswässerchen nach der dritten Tasse Tee verwendet wird. Deshalb kann auch keine Dosierungsempfehlung abgegeben werden.

Pflegecrèmen enthalten bis zu 5%, spezielle Crèmen für die Therapie 10 und mehr Prozent Harnstoff. Weil Harnstoff in der Gesellschaft ein bisschen anrüchig tönt, wird die Substanz meist mit dem lateinischen Begriff «Urea» deklariert. Unser Denken unterscheidet, ob wir Harnstoff einreiben oder Urea anwenden.

Um eine gute Wirkung zu erreichen, sollte der Urin nach einer Waschung möglichst lange nicht abgewaschen werden. Keine Angst, niemand wird es riechen, bis Sie etwas erwähnen. Wenn Sie unsicher sind, machen Sie in einer olfaktorisch empfindlichen Umgebung die Waschung vor Haushalts- oder Gartenarbeiten, die länger dauern und nach denen Sie dann sowieso duschen.

Für wirklich sehr starke Hornhaut gibt es auch sehr starke Urea-Präparate. Tipps finden Sie hier. Die massiven Hornhautschichten sollten zuvor mit einer Hornhautraspel mechanisch entfernt werden. Seien Sie vorsichtig; eine Hornhautraspel kann schnell zu Verletzungen führen. Wenn Sie zuviel auf einmal abtragen, werden Sie Schmerzen ertagen müssen.

Stellen Sie vor der Anwendung von Urea-Präparaten sicher, dass die Haut intakt ist und keine offenen Stellen aufweist. Der Fuss darf nicht "brennen", weder vor, noch nach der Anwendung.